In den Vorjahren war es durch die Kombination von geophysikalischen Prospektionen (durchgeführt von Geophysikern der CAU Kiel), Bohrungen, C14-Datierungen und Ausgrabungen gelungen, ein dichtes Siedlungsgeflecht in der gesamten Umgebung des Hügelgräberfeldes nachzuweisen. Die Siedlungsreste stammen aus dem Zeitraum zwischen dem 5. und 13. Jahrhundert und zeigen eine deutlich intensivere Siedlungstätigkeit an als bislang angenommen. In den Jahren 2009 und 2010 gelang es darüber hinaus, erstmals eindeutige Hausgrundrisse, Gruben, Feuerstellen und Kulturschichten des 9. und 10. Jahrhunderts aufzudecken, die damit zeitgleich zur Hauptnutzungsphase des Gräberfeldes sind. Sie liegen etwa 1000 m östlich des Gräberfeldes von Wiskiauten am Ufer eines heute verlandeten Binnengewässers. Einzelne Funde wie ein Dirhem, ein Schwertknauf oder ein Gürtelbeschlag und andere Kleinfunde zeigen eine lose Verbindung zur skandinavischen Welt an (siehe Ergebnisse 2010 und 2009). Dabei bleibt es aber unklar, ob im erfassten Siedlungsausschnitt tatsächlich Personen skandinavischer Herkunft lebten oder ob es sich um einheimische Prussen handelte.
Im Jahr 2011 stand die Untersuchung von weiteren Verdachtsstellen im Nordwesten der Nekropole auf dem Programm (Abb. 1). Bereits im Jahr 2009 war hier im Rahmen des Projektes ein Kabelgraben dokumentiert worden, in dessen Profilen sich archäologische Befunde zeigten (sieh Ergebnisse 2009). Mehrere Gruben konnten ins 9. und 10. Jahrhundert datiert werden. Diese Siedlungsreste wurden im Jahr 2011 durch die insgesamt sechs Grabungsflächen „22A“ bis „22F“ von insgesamt 1050 Quadratmeter Größe untersucht (Abb. 2).
Zwei nord-südlich ausgerichtete Streifen von 50 x 10 m, die zuvor geophysikalisch in feinem Raster gescannt wurden, wiesen unterschiedliche Ergebnisse auf. Während im östlichen dieser beiden Grabungsschnitte lediglich Drainagesysteme und Hausreste des 17. bis 19. Jahrhunderts freigelegt wurden, die für die Fragestellung nicht relevant sind, wurden im westlichen Schnitt Siedlungsreste des 9. bis 12. Jahrhunderts dokumentiert (Abb. 3). Mehrere Pfosten und Abfallgruben (Abb. 4) sowie eine mit vielen Feldsteinen verfüllte große Grube mit unklarer Funktion, die eventuell zu einem Haus oder Hof gehört, sowie ein wahrscheinlich als Urnengrab zu interpretierendes Keramikgefäß mit verbrannten Knochen weisen auf eine Besiedlung von vier Jahrhunderten an dieser Stelle hin. Allerdings bleibt das Fundmaterial, abgesehen von einer blauen segmentierten Glasperle (Abb. 5), auf Keramikfragmente und Tierknochen beschränkt. Einschlägige Metallfunde, die bei einer Beteiligung der Skandinavier an dieser Siedlung zu erwarten wären, konnten nicht geborgen werden.
Zwei kleinere Schnitte orientierten sich direkt am 2009 lokalisierten Kabelgraben. Einerseits wurde darin eine Abfallgrube mit Keramik und Tierknochen freigelegt, in der neben einer halbfertigen Bernsteinperle auch ein sog. Schlittknochen als Pendant zu heutigen Schlittschuhen lag. Diese Grube gehört nach Ausweis der C14-Daten in den Zeitraum zwischen 723 bis 893 n. Chr. Wahrscheinlich steht sie in Zusammenhang mehreren Befunden, die in einer weiteren Grabungsfläche von 10 x 4 m am Rande des Grabens ausgegraben wurden, darunter eine Ofenanlage, die bereits zuvor durch C14-Analysen in die Zeit zwischen 893 und 1013 n. Chr. datiert worden war.
In direkter räumlicher Nähe wurde in einem 3 x 3 m großen Grabungsschnitt ein Brunnen von etwa 1,2 m Durchmesser freigelegt (Abb. 6), der durch den anstehenden Geschiebemergel bis in 2,5 m tief liegende Sandschichten eingegraben worden ist. Der offenbar zerstörte Brunnen, von dessen hölzernem Sandfang noch drei Planken in Bodennähe angetroffen wurden, war mit Siedlungsmaterial des 11. und 12. Jahrhunderts verfüllt. Als besondere Funde kamen dabei ein Rindeneimer und eine gedrechselte Holzschale (Abb. 7) zutage. Letztere ähnelt den ebenfalls geborgenen Fragmenten scheibengedrehter Keramikgefäße, die in der Region um das Jahr 1000 aufkommen. Allerdings sind auch Fragmente handgemachter Gefäße gefunden worden, die hier offenbar zusammen mit der technisch fortschrittlicheren Keramik genutzt wurden. Unter den zahlreichen Tierknochen befanden sich auch hier mehrere Schlittknochen sowie viele Reste von Fischen. Letztere werden nach ihrer Analyse im Archäozoologischen Labor des ZBSA in Schleswig Aussagen über die Ernährungsgewohnheiten der einheimischen Prussen im 11. und 12. Jahrhundert geben. Die Datierung des Brunnens wird durch mehrere, aus der unmittelbaren Umgebung stammende Einzelfunde eines Schwertortbandes und einer Fibel mit zurückblickenden Tierköpfen bestätigt (Abb. 8), die ebenfalls in das 11. und 12. Jahrhundert datiert werden können. Der Brunnen muss als Teil einer einheimischen prussischen Siedlung verstanden werden, die mit bereits im Jahr 2008 in 150 m Entfernung entdeckten Siedlungsresten in Zusammenhang stehen könnte. In diesem Fall ist von einem größeren Siedlungskomplex auszugehen, der jedoch erst entstand, als das skandinavische Gräberfeld nicht mehr genutzt wurde.
In der Zusammenschau ergibt sich auch an der im Jahr 2011 neu überprüften Stelle etwa 1000 m nordwestlich der Hügelgräbernekropole das Bild eines allerdings eher bäuerlich geprägten Siedlungskomplexes, der seine Ursprünge schon während der Entstehungszeit des Gräberfeldes im 9. und 10. Jahrhundert hat. Diese aufgrund des Fehlens von skandinavischem Fundmaterial wohl eher einheimische Siedlung lebt dann im 11. und 12. Jahrhundert nach dem Abzug der Skandinavier weiter und scheint in dieser Zeit auch erst ihre Blütezeit zu haben.
Insgesamt bestätigt sich durch die Grabungen des Jahres 2011 das Bild einer über sechs bis acht Jahrhunderte genutzten Siedlungslandschaft aus verstreut in der Umgebung des Hügelgräberfeldes verteilten, kleineren Einzelsiedlungen oder Gehöften, die ein von anderen frühmittelalterlichen Fundplätzen mit skandinavischem Einfluss im Ostseeraum bekanntes Zentrum vermissen lassen. Offenbar haben wir es in diesem Fall mit einem neuen Siedlungstyp zu tun, dessen bisherige Gesamtinterpretation als bedeutender Seehandelsplatz nun so nicht mehr zu halten ist. Sicher nicht nur zufällig findet Wiskiauten auch in zeitgenössischen Schriftquellen keine direkte Erwähnung, so dass wohl eher von einem Nebenschauplatz auszugehen ist, der aber trotzdem in das überregionale Handelsnetzwerk eingebunden war. Trotz allem bleibt das Gräberfeld von Wiskiauten eines der reichsten seiner Art an der südlichen Ostseeküste, das nun durch die Forschungen der vergangenen Jahre endlich vor seinem siedlungsarchäologischen Umfeld interpretiert werden kann.