Vom 19. bis 28. März 2007 fanden in Wiskiauten/Mohovoe weitere geophysikalische Voruntersuchungen im Umfeld des Gräberfeldes auf der Suche nach zugehörigen Siedlungsspuren statt. Die Arbeiten wurden vom Archäologischen Landesmuseum (Leitung T. Ibsen) in Zusammenarbeit mit dem Institut für Geowissenschaften der Uni Kiel (Leitung Dr. H. Stümpel) durchgeführt. Die offizielle Grabungslizenz auf russischer Seite lag bei J. Turin (Mitglied der Baltischen Expedition des Archäologischen Instituts der Russischen Akademie der Wissenschaften Moskau). Die Arbeiten wurden für die Dauer von 6 Tagen von einem deutschen Fernsehteam um P. Prestel und G. Graichen begleitet, das eine Sendung in der Reihe „Schliemanns Erben“ für das ZDF produziert.
Insgesamt wurden 2,6 ha Fläche im Osten der Straße Wiskiauten/Mohovoe-Wosegau /Vishnevoe auf einer großen, noch unvermessenen Ackerfläche geomagnetisch voruntersucht. Eine große Konzentration von Anomalien 400 m nördlich des Gräberfeldes, die schon 2006 erkannt wurde, setzt sich in den neuen Meßbildern, wenn auch zahlenmäßig schwächer, fort. Allerdings beschränkt sie sich hier auf einen kleinen Raum von 50 x 50 m. Bohrungen in den neu entdeckten Anomalien ergaben in den meisten Fällen wiederum deutliche Hinweise auf anthropogenen Einfluß. Es dürfte sich daher um archäologische Befunde handeln, deren Alter sich durch entnommene Holzkohleproben in naher Zukunft mittels Radio-Carbon-Analysen bestimmen lassen wird.
Neben der flächigen geomagnetischen Vermessung sind mehrere Anomalien auch durch hochauflösende Radarmessungen untersucht worden. Am deutlichsten ist das Messergebnis an einer linearen Struktur, die bei etwa 180 m Länge und 4 m Breite als Weg gedeutet werden kann. Die durch Bohrungen nachgewiesene flächige Bedeckung mit Steinen zeichnet sich auch im Radarbild ab (Abb. 1+2). Allerdings ist hier zusätzlich eine im Meßbild dunkler gefärbte randliche Begrenzung beiderseits der Struktur erkennbar. Es könnte sich dabei um die Randsteine einer von anderen frühmittelalterlichen Fundplätzen bekannten Wegekonstruktion handeln, bei der zwischen Randsteinen ein flächiges Steinpflaster lag, das wiederum als Unterlage für Sand- oder Kiesaufschüttungen der Wegeoberfläche diente (vgl. Abb. 3+4 ).
Im Bereich der südlich von Vishnevoe/Wosegau gelegenen Konzentration von Anomalien etwa 800m nördlich des Gräberfeldes von Wiskiauten wurden durch Feldbegehungen mehrere datierende Oberflächenfunde getätigt. Neben den schon bekannten Fragmenten von frühmittelalterlicher Drehscheibenkeramik sind nun auch handgefertigte Tongefäßscherben mit slawisch anmutender Stempelornamentik geborgen worden. Letztere sind zeitlich ins 10. Jh. n. Chr. einzuordnen. Die Mehrzahl der hiesigen Anomalien dürfte jedoch zeitlich mit den im März 2007 aufgelesenen Funden einer Fibel (Abb. F), eines Gürtelhakens (Abb. 6) u. a. Kleinfunden in das 12. oder 13. Jh. n. Chr. einzuordnen sein.
Im Osten des Gräberfeldes konnte durch Oberflächenfunde und Bohrungen eine großräumig auftretende Siedlungsschicht lokalisiert werden, die eine Dicke von 80 cm erreicht. Die dabei aufgelesene Keramik erinnert stark an handgemachte Tongefäße, die auch im Gräberfeld vereinzelt in Bestattungen angetroffen wurden. Diese neu entdeckten Siedlungsreste liegen in unmittelbarer Nähe zu ehemals schiffbarem Gebiet mit Wasserbedeckung. Ein C14-Datum aus einem Bohrkern der Siedlungsschicht fällt ins 8. bis 10. Jh. und könnte analog zu den in Fläche 3 dokumentierten Siedlungsspuren eine frühe Siedlungsphase im Umfeld der Nekropole von Wiskiauten darstellen. Weitere C14-Datierungen aus Bohrungen werden derzeit analysiert. Im Sommer 2007 soll hier eine Ausgrabung stattfinden. Sie wird klären, ob es sich um die gesuchte polyethnische Ansiedlung skandinavischer und prussischer Händler handelt, in deren Umgebung dann auch Hafenanlagen vermutet werden müssten.
Vom 23. Juli bis zum 31. August 2007 fand in Wiskiauten die diesjährige Ausgrabungskampagne statt. Beteiligt waren 6 Studierende der Christian-Albrechts-Universität Kiel sowie 12 Studierende der Immanuel-Kant Universität Kaliningrad (Abb. 7).
Im Mittelpunkt der Untersuchungen stand diesmal die vollständige Ausgrabung und Datierung des Brunnens (Fläche 2) sowie die Überprüfung der im März lokalisierten Siedlungsschicht (Fläche 5), die durch neue C14-Daten auf das 7./8. Jh. n. Chr. datiert werden kann. Zusätzlich wurden zwei weitere Anomalien aus den Geomagnetikbildern, diesmal im Osten des Gräberfeldes, durch kleine Ausgrabungsschnitte überprüft. Sie ergaben eine Siedlungsgrube der vorrömischen Eisenzeit (Fläche 7) und eine Siedlungsgrube des 7./8. Jh. n. Chr. (Fläche 8) (Abb. 8).
Durch die neuen Ausgrabungen deutet sich erneut eine viel größere Zeitspanne für die Siedlungsreste in der Umgebung des Gräberfeldes an als bisher angenommen. Zum Einen nimmt die Anzahl der aus der Vorrömischen Eisenzeit stammenden Objekte zu. Zum Anderen aber verdichten sich die Hinweise auf ausgedehnte Siedlungsstrukturen einer Zeit vor der vermuteten Ankunft der Skandinavier, nämlich bereits im 7. und 8. Jh. n. Chr. Es dürfte also schon vorher eine einheimische prussische Siedlung bei Wiskiauten bestanden haben, die dann etwa 100 Jahre später um die skandinavische Bevölkerungskomponente erweitert wird.
Schon die Grabungen des letzten Jahres legten nahe, dass auch die Zeit nach der Hauptnutzungsphase des Gräberfeldes mit den Siedlungsspuren des 11. und 12. im Norden des Gräberfeldes und des 12. und 13. Jh. n. Chr. südlich von Vishnevoe/Wosegau mittlerweile relativ gut dokumentiert ist. In beiden Arealen konnten im Sommer weitere Streufunde die bisherigen Datierungen erhärten.
Immer noch aber fehlen eindeutige Siedlungsspuren, die zeitgleich zum Gräberfeld sind. Zwar scheinen an einigen Stellen vereinzelte C14-Daten anzudeuten, dass in den bisherigen Grabungsschnitten jeweils auch Befunde des 9. bis 11. Jh. n. Chr. enthalten sein könnten, der endgültige Beweis jedoch steht noch aus.
Die Forschungen werden bereits im März 2008 mit weiteren geomagnetischen Messungen fortgesetzt. Nur die systematische Weiterführung der bewährten Untersuchungstaktik ab Sommer 2008 mit Bohrungen und kleinen Ausgrabungen zur Klärung der zeitlichen Tiefe der Messbilder kann helfen, die Meßbilder mit den Tausenden von Anomalien aufzuschlüsseln. Ab der nächsten Projektphase im Jahr 2009 können dann größere Ausgrabungen ansetzen.
Die Ausgrabungsarbeiten wurden von einem Filmteam begleitet, das eine Sendung der Reihe „Schliemanns Erben“ für das ZDF produziert. Die 45-minütige Dokumentation wird im Frühjahr 2008 ausgestrahlt (Abb. 9).