Im März 2009 fand eine 2-wöchige Geomagnetik-Kampagne am Fundort statt, die Messungen wurden vom Kieler Institut für Geowissenschaften – Abteilung Geophysik – unter Leitung von Chr. Klein durchgeführt. Die Gesamtgröße der vermessenen Fläche im Umfeld der Hügelgräbernekropole beträgt nun 150 ha! (Abb. 1) Vornehmlich wurden Lücken in den Messbildern aufgefüllt, so dass nun fast überall flächendeckende Daten zur Verfügung stehen. Die Bedeckung mit Anomalien geht in mittlerweile gewohntem Ausmaß weiter und bestätigt die schon zuvor erkannten Anomalienkonzentrationen.
Interessant war die Untersuchung eines bei Kabelverlegungsarbeiten entstandenen Grabens von fast 1 km Länge (vgl. Abb. 1 rote Linie), der einige der nördlichen Geomagnetikflächen durchschnitt. In seinen Profilen sind insgesamt 25 Grubenbefunde dokumentiert worden. Während die Gruben direkt südlich des heutigen Ortes Vishnevoe (früher Wosegau) etwa 800 bis 1000 m nördlich des Hügelgräberfeldes im Umfeld von Fläche 19 ausschließlich scheibengedrehte Keramik enthielt, sind mehrere Gruben im südlichen Umfeld von Fläche 20 mit handgemachter Keramik verfüllt gewesen (Abb. 2). Außerdem konnten mehrere große Bernsteinrohlinge von bis zu 7 cm Durchmesser geborgen werden (Abb. 3). Alle Gruben stammen aus Siedlungszusammenhängen. Jene Gruben südlich von Vishnevoe/Wosegau dürften in das 12. Jh. n. Chr. gehören, diejenigen südlich von Fläche 20 dagegen eher in die zweite Hälfte des ersten nachchristlichen Jahrtausends.
Interessanterweise sind von den 25 Grubenkomplexen nur wenige in den Geomagnetikbildern sichtbar. Dadurch erhält die Vermutung, dass nicht alle Befundarten durch die Geomagnetik dargestellt werden können, erneute Bestätigung. Für die Untersuchungs-Strategie bedeutet dies, dass in Zukunft zwar die Anomalienkonzentrationen als Ausgangspunkt für Ausgrabungen heranzuziehen sind, diese aber unbedingt vermehrt auch die Bereiche zwischen den eigentlichen Anomalien einbeziehen müssen.
Vom 5. Juli bis zum 30. August fand die diesjährige Grabungskampagne in Wiskiauten statt. Neben 12 russischen Studierenden der Immanuel-Kant-Universität Kaliningrad nahmen auch 8 Studierende des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Christian-Albrechts-Universität Kiel teil.
Im Mittelpunkt der Untersuchungen standen die Bereiche etwa 800 m östlich des skandinavischen Gräberfeldes in der Kaup. Vorarbeiten wie Geomagnetik, Sondagen und Ausgrabungsflächen hatten hier in etwa 30 – 50 m Entfernung von der Uferkante eines ehemaligen Binnensees deutliche Hinweise auf Siedlungsspuren des 9. und 10. Jh. n. Chr. aufgezeigt. Ein kleiner Bachlauf mündet am Fuß der kleinen halbinselartigen Sandkuppe mit dem Flurnamen „Palve“ in diese vermutete Wasserfläche. Im Randbereich des Baches wurden bereits im Jahr 2007 in Fläche 5 und in Sondage 16 aus dem Jahr 2008 Siedlungsschichten mit einer Gesamtmächtigkeit von bis zu 60 cm festgestellt, die mittels C14-Analyse datiert wurden. Neben Daten aus der Bronze- und Eisenzeit sowie dem Zeitraum des 6. bis 8. Jh. zeigt ein Teil der Schichten zeitliche Parallelität zu den Bestattungen mit skandinavischen Beigaben des 9. bis 11. Jh. im Hügelgräberfeld.
Zur Überprüfung wurde auf der Nordseite des Baches eine 15 x 10 m große Grabungsfläche abgetieft, die als „Fläche 21 A“ benannt wurde (Abb. 4). Ein nordsüdlich verlaufender Profilsteg teilte die Fläche in eine West- und eine Osthälfte. „Fläche 21 A“ zeigte vor der Ausgrabung einige geomagnetische Anomalien und enthielt diverse Kulturschichten und etwa 20 eindeutige Pfostenstellungen, die mit zwei Brand- oder Feuerstellen verbunden werden können und eindeutig auf Wohn- oder Wirtschaftsbauten hinweisen. Ein Dirhem und ein kleiner Gürtelbeschlag mit östlich anmutender Ornamentik sowie das keramische Material lassen zusammen mit bislang drei C14-Daten auch hier wikingerzeitliche Siedlungsspuren vermuten.
Da grundsätzlich durch Landwirtschaft mit zerstörten Siedlungsschichten und dementsprechend Funden im Ackerhorizont gerechnet werden musste, wurde der humose Oberboden in 1x1 m Quadranten zunächst auf den ersten 30 cm entnommen und separiert gelagert, um ihn zu schlämmen. Es zeigte sich, dass grundsätzlich kaum Fundmaterial in den oberen Bodenhorizont eingebettet war, so dass nicht mit zerstörten Siedlungsschichten zu rechnen ist.
Nach etwa 40 cm traten vermehrt Funde auf, die in einen lehmigen Boden gräulicher Farbe eingebettet waren. An einigen Stellen tauchten größere Steine in diesem Planum auf. Kurz vor der Nordprofilwand wurde im Ostsektor eine etwa 3 x 2 m große Konzentration verziegelten Lehms festgestellt (Befund 1), die sich durch die geomagnetischen Bilder schon vor der Ausgrabung vermuten ließ (Abb. 5). Bereits vorher war am Übergang von Ackerhorizont zu dieser ersten Kulturschicht das Fragment eines zerschnittenen Dirhems (arabische Silbermünze) (Abb. 6) geborgen worden. In diesem Niveau wurden die ersten Pfostenstellungen erkannt. Sie zeigten sich als rundliche Verfärbungen von durchschnittlich 60 cm Durchmesser und eine inhomogene Verfüllung, die besonders durch die hohen Holzkohleanteile und Rotlehmreste vom umgebenden Sediment zu unterscheiden war (Abb. 7). Bei einigen der insgesamt 20 Pfosten sind offenbar kopfgroße Steine zur Verkeilung der Holzpfosten genutzt worden. Gleichzeitig wurde in der Westhälfte eine weitere Feuerstelle freigelegt (Befund 2).
Unter der lehmigen Schicht tauchte eine dunkelbraune, ca. 20 cm dicke Kulturschicht auf, die sehr stark humos war. Sie enthielt größte Menge an Funden. Neben ausschließlich handgemachter Keramik wurden vor allem fragmentierte Tierknochen geborgen. Unter den zahlreichen Eisengegenständen fallen neben vielen Nägeln insgesamt ca. 30 eiserne, rautenförmige Nietplatten von Nieten auf, die unter anderem beim skandinavischen Schiffbau Verwendung finden. Vielleicht sind hier abgetakelte Schiffsplanken zum Hausbau verwendet worden. Mehrere Bernsteinperlen und ihre Halbfabrikate (Abb. 8) sowie eine größere Menge Rohbernstein zeigen die Verarbeitung dieses für die Wikingerzeit so wichtigen Handelsgutes an. Eisenschlacken und Hornhalbfabrikate belegen diese für wikingerzeitliche Handelsplätze wichtigen Wirtschaftszweige. Ein Gusstiegel deutet auf Buntmetallverarbeitung hin. Aus dem Abraum wurde mit dem Metalldetektor ein kleiner bronzener Gürtelbeschlag (Abb. 9) geborgen, der mit einer östlich anmutenden Ornamentik verziert ist. Er beweist die Einbindung der aufgedeckten Siedlungsspuren in das überregionale Handels- und Kommunikationsnetz der Wikingerzeit.
Unter der großflächigen Verziegelung Befund 1, die vorerst als zerstörter Ofen interpretiert wird, tauchten weitere Pfostenstellungen auf. Es deuten sich daher mehrere Bauphasen an. Einige der Pfosten stehen durch gleiche Form, Verfüllung und ihre Lage zueinander mit großer Wahrscheinlichkeit in Zusammenhang und geben den Ausschnitt eines größeren Gebäudes wieder. In ihrer Mitte liegt die kleinere Feuerstelle (Befund 2), die sich somit im Inneren des Hauses befand (Abb. 10).
Zur Datierung können neben den keramischen Funden vor allem die bislang drei C14-Daten herangezogen werden, die während der laufenden Kampagne im Labor für Altersbestimmung und Isotopenforschung in Kiel analysiert wurden. Sie beweisen die zeitliche Parallelität der aufgedeckten Hausbefunde und des skandinavisch beeinflussten Hügelgräberfeldes. Die Daten liegen mit Radiokarbondaten von BP 1146 +/- 25 (KIA 39644, 1-Sigma: cal AD 874-967, 2-Sigma: cal AD 782-974) für Befund 2 sowie BP 972 +/- 23 (KIA 39645, 1-Sigma: cal AD 1021-1147, 2-Sigma: cal AD 1017-1154) und BP 1022 +/- 27 (KIA 39646, 1-Sigma: cal AD 994-1023, 2-Sigma: cal AD 904-1116) für Befund 1 und somit im 9. bis 11. Jh. exakt in der gesuchten Zeitperiode.
Aus den diesjährigen Ergebnissen lassen sich demnach folgende Schlussfolgerungen ableiten:
Im nächsten Sommer sollen weitere Grabungsflächen in diesem Bereich klären, ob es sich um einen Teil einer größeren Siedlung oder um ein einzelnes Gehöft handelt, dass vielleicht in der Randzone der größeren Siedlung lag oder gar zu einer lose verteilt liegenden Anhäufung von Einzelgehöften gehört, die ein echtes Zentrum vermissen lassen.